Weinbaugebiet Murfatlar

Dank ihrer Lage zwischen Donau und Schwarzem Meer war die jetzige Dobrudscha seit dem VII. bis VI. Jahrhundert v. Chr. ein Anziehungspunkt griechischer Siedler, die an der Küste bedeutende städtetische Kolonien errichteten: Histria, Callatis (Mangalia), Tomis (Constanța) und andere. Die Funde griechischer Herkunft wie Amphoren aus Rhodos, Chios und Tasos und zahlreiche andere Gegenstände aus der Antike sind im Nationalmuseum für Geschichte und Archäologie in Constanța sowie im Weinbau-Museum der Kellerei Murfatlar ausgestellt. Auf zahlreichen weltlichen und religiösen Monumenten, die hier gefunden wurden, finden sich mythische Figuren, die mit Weintrauben und Rebtrieben gekrönt waren und in den meisten Fällen auf den Dionysos-(Bacchus-) Kult hinweisen. Auf diesem historischen Grund liegt das heutige Weinbaugebiet von Murfatlar. Dessen Name hat eine historisch völlig andere Herkunft. Murfatlar leitet sich aus Müruvet (großzügiger Mensch), dann Mürüvetle (tapferer Mensch, guten Herzens und außergewöhnlich) her. Dieser türkische bzw. osmanische Name wurde im Laufe der Zeit zu Murfat und schließlich zu Murfatlar, das heißt: Nachfahren des Murfat.

 

Nach dem Ende der osmanischen Herrschaft (1877) und nach Überwindung der Reblauskrise spielte ein Zufall eine positive Rolle für die Entwicklung des Weinbaus. Die kleine Geschichte ist schön, um sie nicht zu berichten. 1906 las der damalige rumänische Landwirtschaftsminister in einer französischen Zeitung, dass es während des Krimkriegs französischen Soldaten, die in der Dobrudscha Halt machten, vor Ort gelungen sei, aus lokalen Trauben einen Schaumwein wie in Champagne herzustellen. Auf Anordnung des Ministers wurden 1907 in Valul lui Traian zehn Hektar Rebgärten mit den klassischen französischen Champagner-Sorten Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier angelegt. Man ging davon aus, dass die Wahl sowie die gleichartigen Kreideböden wie in der Champagne ein gutes Ergebnis zeitigen müsste. Et voila: 1914/1915 wurde der erste Schaumwein der Dobrudscha mit dem nostalgischen Namen „Lacrima lui Ovidiu“ (Träne des Ovid) hergestellt. Den Markennamen gibt es noch heute in Murfatlar – doch steht er für den einzigen alkoholverstärkten Wein Rumäniens im Stil von Portwein bzw. Sherry.

 

Das berühmte Weinbaugebiet ist trotz aller historischen Funde und Bezüge noch recht jung. Zu seiner jetzigen Bedeutung gelangte es in zwei Schüben – nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Starthilfen kamen dabei jeweils aus Wissenschaft und Forschung. So wurden ab 1939 Versuchsanlagen mit zehn Reb- und zehn Traubensorten angelegt. Die damit verbundenen Untersuchungen mündeten 1943 in die Gründung der Forschungs- und Produktionsstation für Weinbau und Kellertechnik, die bis heute tätig ist. Im Laufe der Zeit konnte sich Murfatlar zu einem der repräsentativsten Weinbaugebiete des Landes entwickeln.

Murfatlar liegt im Hinterland von Constanta, zu beiden Seiten des Carasu, eines Nebenflusses der Donau. Das Bodenrelief fällt zum Carasu teils steil ab, die absolute Höhe beträgt 100 bis 130 Meter. Das typisch kontinentale Klima mit seinen heißen und trockenen Sommern ist ideal für die Reife und Überreife der Trauben. Die Durchschnittstemperatur im Jahr beträgt 11° bis 11,5°, die Niederschläge liegen bei knappen 380 bis 420 Millimetern, was periodisch Bewässerung notwendig macht. Die Sonnenscheindauer von 2.200 bis 2.300 Stunden zählt zu den höchsten Werten im Lande.

Murfatlar hat drei Weinbauzentren: Das namensgebende Murfatlar selbst, Megidia und Cernavoda.

 

Von den Weinen ist Pinot Gris, von trocken bis süß, diejenige Sorte, mit der die Region einen großen Trumpf ausspielen kann. Ausleseweine aus fast rosinenartig geschrumpelten Traubenbeeren haben eine enorme Komplexität und Harmonie, die Ihresgleichen suchen. Goldgelb nach Jahren der Reife und ein Bukett ohnegleichen verleiht dem Wein Schönheit und einen schwer zu beschreibenden Wert.

Chardonnay ist in der Nase rebsortentypisch, fein und komplex mit Tönen von trockenem Heu und Akazienblüten; der Wein gewinnt durch Lagerung ein Bukett mit einer originellen Note von Süßmandel. Früher wurde der Chardonnay meist süß oder halbsüß angeboten, heutzutage mehr und mehr trocken oder halbtrocken. Im Mund ist er voll und kräftig mit Noten von Brotkruste und reifenden Getreidekörnern. Er ist edel, reich und harmonisch, so dass man solange wie möglich mit ihm in Gesellschaft bleibt.

 

Welschriesling (Riesling Italian) ist gewöhnlich trocken; in großen Jahren, wenn die Ernte spät im Herbst stattfindet, wird er halbtrocken und sogar halbsüß ausgebaut. Im Glas ist er zitronengelb mit grünen Reflexen, in der Nase duftet er nach Südfrüchten wie Pampelmuse oder Pfirsich kurz vor der Reife. Durch Alterung und Reifung entwickelt sich ein verfeinertes und diskret-aromatisches Bukett. Am Gaumen ist er fruchtig mit viel Frische, geschmeidig, aristokratisch in seiner Eleganz. In Murfatlar ist er in den meisten Jahren derart gelungen, dass er mit anderen ehrwerten Rebsorten konkurriert. Sieht man seine Qualitäten insgesamt, so krönt der Welschriesling aus Murfatlar seine ihm innewohnende Potenzen.

 

Obwohl der Sauvignon Blanc hier noch nicht lange heimisch ist, gelang ihm, neben den anderen Sorten gut zu bestehen. Mit seinen Aromen von frisch geernteter Paprika, zumal wenn er nur kurz vergoren wurde, positionieren ihn in der Nähe der Bukettweine. Am Gaumen ist er komplett, voll und fein; er schmeckt nach exotischen Früchten.

 

Die Bukettsorte Muscat Ottonel mit ihrer Gold-gelben bis strohgelben Farbe, ihrem unverwechselbaren Aroma sowie ihren lange ausgereiften Trauben hat eine etwas geringe Säure, kann aber bei Anwendung adäquater Verarbeitungstechnik eine außerordentliche Qualität mitbringen. Sie hat dann ein klar definiertes Aroma, insbesondere wenn sie über reichlich Restzucker verfügt. Nach Jahren der Lagerung hat sie ein attraktives Altersbukett, das den ganzen Charme dieses Weins ausmacht.

 

Der Cabernet Sauvignon komplettiert und bereichert Murfatlar wie kein anderes Anbaugebiet des Landes. Mit einem tiefen Rot, das ins Bläuliche übergeht, wenn er jung ist, einem Ziegelrot, nachdem er gealtert ist, überzeugt diese Sorte durch ihre Weichheit. Die geschmeidigen Töne halten die für die Rebsorten typische Strenge und Adstringens im Zaum, so dass er  im Mund seidig und von großer Milde ist. Das sortentypische Aroma ebenso wie das Altersbukett, das leicht nach Vanilletönen gekennzeichnet ist, verleihen dem Wein insgesamt Perfektion und Charme.

 

Pinot Noir ist in Murfatlar auf derselben qualitativen Höhe wie Cabernet Sauvignon. Rot-violett in der Jugend und mit tief-orangen Tönen nach einigen Jahren der Alterung und Reife, ist er geschmeidiger als der Cabernet und vermittelt eine angenehme Wärme. Der Pinot aus Murfatlar kommt jenem aus Burgund sehr nahe. Der einzige Vorwurf ist der, dass er im Verhältnis zu den Anbaubedingungen und zum Potenzial des Anbaugebiets in zu geringen Mengen produziert wird.

 

Merlot ist in der Nase delikat und von großer Finesse mit Noten von Blaubeeren, mit ausgewogener und harmonischer Textur. Als junger Wein hat er leichte Anklänge an Kräuter; gereift gewinnt er ein ätherisches Bukett mit leichten Bitternoten. Ob trocken oder leicht halbsüß vervollständigt er die Palette gelungener Rotweine aus Murfatlar.

 

Feteasca Neagra / Fetească Neagră gibt es noch nicht seit langer Zeit im Anbaugebiet, aber dank seiner Charakteristika und seiner typischen geschmacklichen Eigenschaften hat er sehr an Popularität gewonnen. Mäßig alkoholstark, nicht zu sauer und mit guten Extraktwerten zeichnet er sich vor allem durch Ausgewogenheit und Harmonie aus. Im Glas wechselt er von einem mehr oder minder intensiven Rubinrot durch Alterung zu ziegelrot; in der Nase duftet er ausdrucksvoll nach Himbeere, als reifer Wein tritt ein ätherisches Bukett mit markanten Noten von Backpflaumen hervor. Im Mund ist er kraftvoll mit weichen geschmeidigen Noten. Insgesamt ein Wein voller Originalität und Authentizität.